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Dienstag, 30. Dezember 2008
Rückblick 2008: Tod von Klaus Michael Grüber
rabe500, 21:18h
Klaus Michael Grüber (* 4. Juni 1941 in Neckarelz; † 22. Juni 2008 in Belle-Île, Bretagne, Frankreich) war ein deutscher Regisseur und Schauspieler, Ritter der französischen Ehrenlegion, Kommandeur des französischen Ordens des Arts et des Lettres und Mitglied der Akademie der Künste in Berlin.
Im Nachruf der FAZ wird K.M. Grüber zitiert:
In einem der raren Interviews, die der vollkommen unöffentliche, fast panisch scheue, sich am liebsten hinter seinen großen Schauspielern wie Bruno Ganz, Angela Winkler oder Bernhard Minetti verbergende Theaterwunderkünstler gab – und er gab es nicht einem Journalisten, sondern einem Dramaturgen, der daraus dann auch ein schönes Buch machte –, bekannte er, dass sein Traum vom Theater „wahrhaftig die Ergriffenheit“ sei. Und dass man im Theater Tränen vergießen müsse. Und dies in absoluter Hingabe. „Tränen“, „Ergriffenheit“, „Hingabe“: Es sind ja die unmöglichsten, lächerlichsten, unzeitgemäßesten Begriffe, die auch überhaupt keinen Platz haben in dem, was man „Diskurs“ nennt – und oft nichts anderes meint als das, wonach man sich gefälligst kollektiv zu richten hat, wenn man individuell mitreden möchte. Es gab in diesem Sinne keinen diskursferneren Regisseur als ihn.
Die Süddeutsche schreibt u.a.:
Theater des Eingedenkens
Ein tiefer Riss geht durch die Menschen, die Grüber auf der einsamen Spur ihres Lebens begleitete. Seine Inszenierungen, die fast alle in Zusammenarbeit mit seiner Mitarbeiterin Ellen Hammer entstanden, waren von der Erfahrung des Scheiterns bestimmt, von Verlust und Verlöschen.
Im Untergang scheint freilich ein Gegenbild auf, dass der Tod nicht das Letzte sei. In der Uraufführung von Vladimir Nabokovs "Der Pol", 1996 an der Schaubühne, richtete sich im Schlussbild der gescheiterte Captain Scott (Bruno Ganz) auf und hielt sich an der Zeltstange fest. Der letzte Blick ging über eine vom Nordlicht illuminierte Landschaft aus Schnee und Eis.
Das letzte Bild der letzten Inszenierung: In Busonis Oper "Doktor Faust", 2006 in Zürich, wurde Thomas Hampsons Abgang in die Tiefe und Finsternis durchkreuzt von einem nackten Jüngling, der andächtigen Schritts die Bühne überquert und auf den ausgestreckten Armen einen großen grünen Zweig hält wie ein kostbares Gut.
So evozierte Grüber das Bild von Tod und Auferstehung -im sich kreuzenden Abgang von Doktor Faust und dem Erscheinen eines nackten, bloßen Menschen.
Hier die ARTE-Reportage zu seinem Tode:
http://mfile.akamai.com/37666/wmv/arte7.download.akamai.com/37666/permanent/c2/jdc/20080601/gruber_de.wmv
Siehe auch:
Monterverdi - L'Incoronazione di Poppea - Aix 2008
mise en scéne: Klaus Michael Grüber
http://www.youtube.com/watch?v=iDqXzJnvbss
Trailer dazu:
Rückblick 2008: Tod von Klaus Michael Grüber
Im Nachruf der FAZ wird K.M. Grüber zitiert:
In einem der raren Interviews, die der vollkommen unöffentliche, fast panisch scheue, sich am liebsten hinter seinen großen Schauspielern wie Bruno Ganz, Angela Winkler oder Bernhard Minetti verbergende Theaterwunderkünstler gab – und er gab es nicht einem Journalisten, sondern einem Dramaturgen, der daraus dann auch ein schönes Buch machte –, bekannte er, dass sein Traum vom Theater „wahrhaftig die Ergriffenheit“ sei. Und dass man im Theater Tränen vergießen müsse. Und dies in absoluter Hingabe. „Tränen“, „Ergriffenheit“, „Hingabe“: Es sind ja die unmöglichsten, lächerlichsten, unzeitgemäßesten Begriffe, die auch überhaupt keinen Platz haben in dem, was man „Diskurs“ nennt – und oft nichts anderes meint als das, wonach man sich gefälligst kollektiv zu richten hat, wenn man individuell mitreden möchte. Es gab in diesem Sinne keinen diskursferneren Regisseur als ihn.
Die Süddeutsche schreibt u.a.:
Theater des Eingedenkens
Ein tiefer Riss geht durch die Menschen, die Grüber auf der einsamen Spur ihres Lebens begleitete. Seine Inszenierungen, die fast alle in Zusammenarbeit mit seiner Mitarbeiterin Ellen Hammer entstanden, waren von der Erfahrung des Scheiterns bestimmt, von Verlust und Verlöschen.
Im Untergang scheint freilich ein Gegenbild auf, dass der Tod nicht das Letzte sei. In der Uraufführung von Vladimir Nabokovs "Der Pol", 1996 an der Schaubühne, richtete sich im Schlussbild der gescheiterte Captain Scott (Bruno Ganz) auf und hielt sich an der Zeltstange fest. Der letzte Blick ging über eine vom Nordlicht illuminierte Landschaft aus Schnee und Eis.
Das letzte Bild der letzten Inszenierung: In Busonis Oper "Doktor Faust", 2006 in Zürich, wurde Thomas Hampsons Abgang in die Tiefe und Finsternis durchkreuzt von einem nackten Jüngling, der andächtigen Schritts die Bühne überquert und auf den ausgestreckten Armen einen großen grünen Zweig hält wie ein kostbares Gut.
So evozierte Grüber das Bild von Tod und Auferstehung -im sich kreuzenden Abgang von Doktor Faust und dem Erscheinen eines nackten, bloßen Menschen.
Hier die ARTE-Reportage zu seinem Tode:
http://mfile.akamai.com/37666/wmv/arte7.download.akamai.com/37666/permanent/c2/jdc/20080601/gruber_de.wmv
Siehe auch:
Monterverdi - L'Incoronazione di Poppea - Aix 2008
mise en scéne: Klaus Michael Grüber
http://www.youtube.com/watch?v=iDqXzJnvbss
Trailer dazu:
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Zum Jahreswechsel: Hölderlins "Mnemosyne"
rabe500, 18:14h
Friedrich Hölderlin
Mnemosyne (griechisch Mνημοσύνη; von μνήμη mnēmē, „Gedächtnis“; vergleiche lateinisch memoria)
Mnemosyne.|
| Reif sind, in Feuer getaucht, gekochet
Die Frücht und auf der Erde geprüfet und ein Gesez ist
Daß alles hineingeht, Schlangen gleich,
Prophetisch, träumend auf
Den Hügeln des Himmels. Und vieles
Wie auf den Schultern eine
Last von Scheitern ist
Zu behalten. Aber bös sind
Die Pfade. Nemlich unrecht,
Wie | Rosse, scheu und feucht durch| gehn die gefangenen
Element’ und alten
Geseze der Erd. Und immer
Ins Ungebundene gehet eine Sehnsucht. Vieles aber ist
Zu behalten. Und Noth die Treue.
Vorwärts |wagend aber oder | rükwärts wollen wir
Nicht sehn. Uns wiegen lassen, wie
Auf schwankem Kahne der See.|
| Es will uns aber geschehen, um
Die warme Scheue
Abzulegen, an der Leber
Ein linkisches.| | Jo Bacche,
Daß sie lernen der Hände Geschik
Samt selbigem,|
|Gerächet oder vorwärts. Die Rache gehe
Nemlich zurük.| | Denn über der Erde wandeln
Gewaltige Mächte,
Und es ergreiffet ihr Schiksaal,
Den der es leidet und zusieht,
Und ergreifft den Völkern das Herz.| | Denn wenn
Ein Streit ist über Menschen am Himmel und gewaltig
Die Monde gehn, so redet
Das Meer, und | der Drach vergleicht
Der Natur Gang und Geist und Gestalt.| Zweifellos
Ist aber Einer. Der
Kann täglich es ändern. Kaum bedarf er
Gesez, wie nemlich er
Bei Menschen bleiben soll| und die Schrift tönt Echo
Und es tönet das Blatt. Es möchten aber
Viel Männer da seyn, wahrer Sache.
Eichbäume wehn dann neben
Den Birnen.| Denn nicht vermögen
Die Himmlischen alles. Nemlich es reichen
Die Sterblichen eh’ an den Abgrund.
Also wendet es sich
Mit diesen. Schön ist
Der Brauttag, bange sind wir aber
Der Ehre wegen. Furchtbar gehet
Es ungestalt, wenn Eines uns
Zu gierig genommen.| Lang ist die Zeit,
Es ereignet sich aber
Das Wahre.
Wie aber liebes? Sonnenschein
Am Boden sehen wir und trokenen Staub
Und heimatlich die Schatten der |Wälder und es blühet
An Dächern der Rauch, bei alter Krone
Der Thürme, friedsam; gut sind nemlich,
Hat gegenredend die Seele
Ein Himmlisches verwundet, die Tageszeichen.
Denn Schnee, wie Majenblumen
Das Edelmüthige, wo
Es seie bedeutend, glänzet auf der grünen Wiese|
| Der Alpen, hälftig
Da, vom Kreuze redend, das gesezt
Ist unterwegs einmal
Gestorbenen, auf hoher Straß’
Ein Wandersmann geht zornig,
Fern ahnend mit
Dem andern, aber was ist diß?
Am Feigenbaum ist mein
Achilles mir gestorben,
Und Ajax liegt
An Grotten der See,
An Bächen, benachbart dem Skamandros. |
| An Schläfen Sausen einst, nach
Der unbewegten Salamis steter Gewohnheit,
In der Fremd’, ist groß
Ajax gestorben. Patroklos aber in des
Königes Harnisch. Und es starben
Noch andere viel. Am Kithäron aber lag
Elevtherä, der Mnemosyne Stadt. Der auch als
Ablegte den Mantel Gott, das abendliche nachher löste
Die Loken. Himmlische nemlich sind
Unwillig, wenn eines nicht die Seele schonend sich
Zusammengenommen, aber es muß doch; dem
Gleich fehlet die Trauer.
Zum Jahreswechsel: Hölderlins "Mnemosyne"
Mnemosyne (griechisch Mνημοσύνη; von μνήμη mnēmē, „Gedächtnis“; vergleiche lateinisch memoria)
Mnemosyne.|
| Reif sind, in Feuer getaucht, gekochet
Die Frücht und auf der Erde geprüfet und ein Gesez ist
Daß alles hineingeht, Schlangen gleich,
Prophetisch, träumend auf
Den Hügeln des Himmels. Und vieles
Wie auf den Schultern eine
Last von Scheitern ist
Zu behalten. Aber bös sind
Die Pfade. Nemlich unrecht,
Wie | Rosse, scheu und feucht durch| gehn die gefangenen
Element’ und alten
Geseze der Erd. Und immer
Ins Ungebundene gehet eine Sehnsucht. Vieles aber ist
Zu behalten. Und Noth die Treue.
Vorwärts |wagend aber oder | rükwärts wollen wir
Nicht sehn. Uns wiegen lassen, wie
Auf schwankem Kahne der See.|
| Es will uns aber geschehen, um
Die warme Scheue
Abzulegen, an der Leber
Ein linkisches.| | Jo Bacche,
Daß sie lernen der Hände Geschik
Samt selbigem,|
|Gerächet oder vorwärts. Die Rache gehe
Nemlich zurük.| | Denn über der Erde wandeln
Gewaltige Mächte,
Und es ergreiffet ihr Schiksaal,
Den der es leidet und zusieht,
Und ergreifft den Völkern das Herz.| | Denn wenn
Ein Streit ist über Menschen am Himmel und gewaltig
Die Monde gehn, so redet
Das Meer, und | der Drach vergleicht
Der Natur Gang und Geist und Gestalt.| Zweifellos
Ist aber Einer. Der
Kann täglich es ändern. Kaum bedarf er
Gesez, wie nemlich er
Bei Menschen bleiben soll| und die Schrift tönt Echo
Und es tönet das Blatt. Es möchten aber
Viel Männer da seyn, wahrer Sache.
Eichbäume wehn dann neben
Den Birnen.| Denn nicht vermögen
Die Himmlischen alles. Nemlich es reichen
Die Sterblichen eh’ an den Abgrund.
Also wendet es sich
Mit diesen. Schön ist
Der Brauttag, bange sind wir aber
Der Ehre wegen. Furchtbar gehet
Es ungestalt, wenn Eines uns
Zu gierig genommen.| Lang ist die Zeit,
Es ereignet sich aber
Das Wahre.
Wie aber liebes? Sonnenschein
Am Boden sehen wir und trokenen Staub
Und heimatlich die Schatten der |Wälder und es blühet
An Dächern der Rauch, bei alter Krone
Der Thürme, friedsam; gut sind nemlich,
Hat gegenredend die Seele
Ein Himmlisches verwundet, die Tageszeichen.
Denn Schnee, wie Majenblumen
Das Edelmüthige, wo
Es seie bedeutend, glänzet auf der grünen Wiese|
| Der Alpen, hälftig
Da, vom Kreuze redend, das gesezt
Ist unterwegs einmal
Gestorbenen, auf hoher Straß’
Ein Wandersmann geht zornig,
Fern ahnend mit
Dem andern, aber was ist diß?
Am Feigenbaum ist mein
Achilles mir gestorben,
Und Ajax liegt
An Grotten der See,
An Bächen, benachbart dem Skamandros. |
| An Schläfen Sausen einst, nach
Der unbewegten Salamis steter Gewohnheit,
In der Fremd’, ist groß
Ajax gestorben. Patroklos aber in des
Königes Harnisch. Und es starben
Noch andere viel. Am Kithäron aber lag
Elevtherä, der Mnemosyne Stadt. Der auch als
Ablegte den Mantel Gott, das abendliche nachher löste
Die Loken. Himmlische nemlich sind
Unwillig, wenn eines nicht die Seele schonend sich
Zusammengenommen, aber es muß doch; dem
Gleich fehlet die Trauer.
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Now, the party begins:
rabe500, 14:05h
Now, the party begins:
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Zitat des Tages:
rabe500, 12:55h
The man who has no imagination has no wings.
Muhammad Ali
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"Stimmung" zum Jahresende
rabe500, 12:39h
Keine Angst vor der Stimmung zu Silvester. 1990 notierte ich mir ein Zitat, das ich gerade in die Hand bekam. Es handelt sich um Heideggers Auffassung von der Priorität des Gefühls und der damit verbundenen Stimmung (im "Nietzsche" von 1961):
"Stimmung" zum Jahresende
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