Dienstag, 30. Dezember 2008
Zum Jahreswechsel: Hölderlins "Mnemosyne"
Friedrich Hölderlin
Mnemosyne (griechisch Mνημοσύνη; von μνήμη mnēmē, „Gedächtnis“; vergleiche lateinisch memoria)


Mnemosyne.|
| Reif sind, in Feuer getaucht, gekochet
Die Frücht und auf der Erde geprüfet und ein Gesez ist
Daß alles hineingeht, Schlangen gleich,
Prophetisch, träumend auf
Den Hügeln des Himmels. Und vieles
Wie auf den Schultern eine
Last von Scheitern ist
Zu behalten. Aber bös sind
Die Pfade. Nemlich unrecht,
Wie | Rosse, scheu und feucht durch| gehn die gefangenen
Element’ und alten
Geseze der Erd. Und immer
Ins Ungebundene gehet eine Sehnsucht. Vieles aber ist
Zu behalten. Und Noth die Treue.
Vorwärts |wagend aber oder | rükwärts wollen wir
Nicht sehn. Uns wiegen lassen, wie
Auf schwankem Kahne der See.|
| Es will uns aber geschehen, um
Die warme Scheue
Abzulegen, an der Leber
Ein linkisches.| | Jo Bacche,
Daß sie lernen der Hände Geschik
Samt selbigem,|
|Gerächet oder vorwärts. Die Rache gehe
Nemlich zurük.| | Denn über der Erde wandeln
Gewaltige Mächte,
Und es ergreiffet ihr Schiksaal,
Den der es leidet und zusieht,
Und ergreifft den Völkern das Herz.| | Denn wenn
Ein Streit ist über Menschen am Himmel und gewaltig
Die Monde gehn, so redet
Das Meer, und | der Drach vergleicht

Der Natur Gang und Geist und Gestalt.| Zweifellos
Ist aber Einer. Der
Kann täglich es ändern. Kaum bedarf er
Gesez, wie nemlich er
Bei Menschen bleiben soll| und die Schrift tönt Echo
Und es tönet das Blatt. Es möchten aber
Viel Männer da seyn, wahrer Sache.
Eichbäume wehn dann neben
Den Birnen.| Denn nicht vermögen
Die Himmlischen alles. Nemlich es reichen
Die Sterblichen eh’ an den Abgrund.
Also wendet es sich
Mit diesen. Schön ist
Der Brauttag, bange sind wir aber
Der Ehre wegen. Furchtbar gehet
Es ungestalt, wenn Eines uns
Zu gierig genommen.| Lang ist die Zeit,
Es ereignet sich aber
Das Wahre.
Wie aber liebes? Sonnenschein
Am Boden sehen wir und trokenen Staub
Und heimatlich die Schatten der |Wälder und es blühet
An Dächern der Rauch, bei alter Krone
Der Thürme, friedsam; gut sind nemlich,
Hat gegenredend die Seele
Ein Himmlisches verwundet, die Tageszeichen.
Denn Schnee, wie Majenblumen
Das Edelmüthige, wo
Es seie bedeutend, glänzet auf der grünen Wiese|
| Der Alpen, hälftig
Da, vom Kreuze redend, das gesezt
Ist unterwegs einmal
Gestorbenen, auf hoher Straß’
Ein Wandersmann geht zornig,

Fern ahnend mit
Dem andern, aber was ist diß?
Am Feigenbaum ist mein
Achilles mir gestorben,
Und Ajax liegt
An Grotten der See,
An Bächen, benachbart dem Skamandros. |
| An Schläfen Sausen einst, nach
Der unbewegten Salamis steter Gewohnheit,
In der Fremd’, ist groß
Ajax gestorben. Patroklos aber in des
Königes Harnisch. Und es starben
Noch andere viel. Am Kithäron aber lag
Elevtherä, der Mnemosyne Stadt. Der auch als
Ablegte den Mantel Gott, das abendliche nachher löste
Die Loken. Himmlische nemlich sind
Unwillig, wenn eines nicht die Seele schonend sich
Zusammengenommen, aber es muß doch; dem
Gleich fehlet die Trauer.
Zum Jahreswechsel: Hölderlins "Mnemosyne"

... comment