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Montag, 10. August 2009
Mensch und Gott
rabe500, 13:48h
Eine bemerkenswerte und kurze Darstellung der Menschen- und Gottesfrage bei Heidegger findet sich in diesem interessanten Buch (aus dem Niederländischen, München 1971 - Anmerkungen erfragen - ):
Weil das Denken zunächst den Boden bereiten muß, von dem aus erst
Jede authentische Bejahung möglich ist, hält Heidegger das Bedenken des
Wegs nach Gott zwar nicht für unmöglich, wohl aber für sehr schwer. Er wird
erst wieder gefunden werden, wenn das Denken seine eigene Dimension
wiedergefunden hat, sich also als ein Denken der Wahrheit des Seins ent-
faltet. Aus der Wahrheit des Seins läßt sich dann das »Wesen« des Heiligen
denken; aus dem »Wesen« des Heiligen ist das »Wesen« der Gottheit zu
denken. Im Licht des »Wesens« der Gottheit kann gedacht und gesagt wer-
den, was das Wort »Gott« bedeutet230. So wie das Denken für das Wesen des
Seins eine Stätte bereiten muß, an der der Mensch für den Anspruch des
Seins empfänglich ist, so wie der Mensch also zuerst die Weite seines eigenen
Wesens zurückfinden muß, damit die Wahrheit des Seins »wesen« kann, so
muß sich auch der Mensch erst in der Dimension des »Wesens« des Heiligen
befinden, ehe er erwarten darf, denken und sagen zu können, was das Wort
»Gott« bedeutet. Heidegger vermutet, daß das Überdenken der Religiosität
der Weg des Denkens nach Gott sein könnte.
Das Heilige hat für Heidegger jedoch nichts mit Tugend im traditionellen
Sinn des Wortes zu tun. Es ist primär die Natur, die heilig genannt wird.
Die Natur »erzieht« die Dichter231, und die Dichter sind gerufen, das Hei-
lige auszusprechen232. Sie werden ganz umfaßt von der mächtigen, göttlich-
schönen, allgegenwärtigen Natur238, und sie gedenken dessen, was Erden-
söhne zuerst angeht, wenn sie sollen wohnen können. Sie sprechen das Heilige
aus, das über Gott und Menschen herrscht. Dadurch fühlen sich die Götter
und bringen sich selbst zum Erscheinen in der Wohnstätte des Menschen
auf dieser Erde. Als ein Zeichen stehen die Dichter zwischen Menschen und
Göttern234. Das Blühen eines Baumes birgt die unverdient zufällende Frucht;
das rettende Heilige, das den Sterblichen zugetan ist. Das Offenstehen für
das Heilige ist die »Ganzheit«, die Integrität authentischen »Wohnens«.
Der Grundzug des Wohnens ist das Schonen, die Rücksicht, das in Ord-
nung halten, Verschonen235. Dieser Grundzug zeigt uns, daß das Menschensein
im Wohnen beruht, in dem Sinn des Sichaufhaltens der Sterblichen auf der
Erde. »Auf der Erde« schließt jedoch ein: »unter dem Himmel«. Erde und
Himmel verweisen auf das Göttliche und auf das Zusammen der Sterblichen.
Erde und Himmel, Sterbliche und Göttliche gehören in eine ursprüngliche
Einheit zusammen236. Die Erde ist die dienend tragende, die blühend Frucht
hervorbringende, sich erstreckend in Wasser und Gestein, aufblühend zu
Gewächs und Getier. Der Himmel ist der sich wölbende Gang der Sonne
und des Mondes, der Glanz der Gestirne, die Jahreszeiten, das Licht und
das Dunkel des Tages, das Licht und das Dunkel der Nacht, die Gastfreiheit
und die Ungastlichkeit des Wetters, das Vorbeitreiben der Wolken, die blaue
Tiefe des Äthers. Die Göttlichen sind die winkenden Boten der Gottheit.
Die Sterblichen sind die Menschen, die Sterbliche heißen, weil sie den Tod
als Tod vermögen. Das ursprüngliche Zusammengehören dieser vier nennt
Heidegger das Geviert237.
Das Wohnen schließt also vier Aspekte ein. Die Sterblichen wohnen, in-
sofern sie die Erde retten, also nicht beherrschen und unterwerfen; die Sterb-
lichen wohnen, insofern sie den Himmel als Himmel empfangen, also der
Sonne und dem Mond ihren Gang lassen, den Gestirnen ihre Bahn, den
Jahreszeiten ihren Segen und ihre Härte, die Nacht nicht zum Tage machen
und den Tag nicht zur ruhelosen Jagd: die Sterblichen wohnen, insofern sie
die Göttlichen erwarten, hoffend auf das Unverhoffte, noch im Unheil war-
tend auf das entflohene Heil; die Sterblichen wohnen, insofern sie die Sterb-
lichen begleiten, damit ihr Tod ein guter Tod sei. Im Retten der Erde, im
Empfangen des Himmels, im Erwarten der Göttlichen, im Begleiten der
Sterblichen geschieht das Wohnen wie das vierfache Schonen des Gevierts.
Schonen bedeutet: die Vierzahl in seinem »Wesen« hüten238.
Der Mensch hat jedoch das authentische Wohnen total verlernt. Er hat
das »Heile« seines Daseins zusammenschrumpfen und verkümmern lassen.
Die eigentliche Not des Wohnens besteht nicht erst im Fehlen von Woh-
nungen239. Die eigentliche Wohnungnot ist die Heimatlosigkeit des Menschen.
Dadurch bleibt nicht nur das Heilige als Hinweis auf die Gottheit verborgen.
Auch das »Heile« ist zerrissen, und damit scheint selbst der Hinweis auf
das Heilige ausgewischt zu sein240. Die Götter sind entflohen. Erst wenn der
Mensch wieder empfindsam wird für das »Wesen« des Heiligen, darf er
hoffen, daß er erneut wird denken und sagen können, was das Wort »Gott«
bedeutet.
Heidegger sieht in Hölderlin den Dichter der Abwesenheit Gottes241. Die
Dichter sind jedoch auch gerufen, das Heilige erneut auszusprechen und die
Ankunft Gottes vorzubereiten. Im dichtenden Nennen läßt der Dichter den
Hohen selbst erscheinen242. Das Erscheinen Gottes geschieht in einem Ent-
hüllen, das dasjenige erscheinen läßt, was sich verbirgt. Es läßt jedoch nicht
das Verborgene sehen, indem es das Verborgene aus dem Verborgenen rückt,
sondern indem es das Verborgene in seinem Sich-Verbergen hütet243. Der
unbekannte Gott erscheint als der Unbekannte244.
Mensch und Gott
Weil das Denken zunächst den Boden bereiten muß, von dem aus erst
Jede authentische Bejahung möglich ist, hält Heidegger das Bedenken des
Wegs nach Gott zwar nicht für unmöglich, wohl aber für sehr schwer. Er wird
erst wieder gefunden werden, wenn das Denken seine eigene Dimension
wiedergefunden hat, sich also als ein Denken der Wahrheit des Seins ent-
faltet. Aus der Wahrheit des Seins läßt sich dann das »Wesen« des Heiligen
denken; aus dem »Wesen« des Heiligen ist das »Wesen« der Gottheit zu
denken. Im Licht des »Wesens« der Gottheit kann gedacht und gesagt wer-
den, was das Wort »Gott« bedeutet230. So wie das Denken für das Wesen des
Seins eine Stätte bereiten muß, an der der Mensch für den Anspruch des
Seins empfänglich ist, so wie der Mensch also zuerst die Weite seines eigenen
Wesens zurückfinden muß, damit die Wahrheit des Seins »wesen« kann, so
muß sich auch der Mensch erst in der Dimension des »Wesens« des Heiligen
befinden, ehe er erwarten darf, denken und sagen zu können, was das Wort
»Gott« bedeutet. Heidegger vermutet, daß das Überdenken der Religiosität
der Weg des Denkens nach Gott sein könnte.
Das Heilige hat für Heidegger jedoch nichts mit Tugend im traditionellen
Sinn des Wortes zu tun. Es ist primär die Natur, die heilig genannt wird.
Die Natur »erzieht« die Dichter231, und die Dichter sind gerufen, das Hei-
lige auszusprechen232. Sie werden ganz umfaßt von der mächtigen, göttlich-
schönen, allgegenwärtigen Natur238, und sie gedenken dessen, was Erden-
söhne zuerst angeht, wenn sie sollen wohnen können. Sie sprechen das Heilige
aus, das über Gott und Menschen herrscht. Dadurch fühlen sich die Götter
und bringen sich selbst zum Erscheinen in der Wohnstätte des Menschen
auf dieser Erde. Als ein Zeichen stehen die Dichter zwischen Menschen und
Göttern234. Das Blühen eines Baumes birgt die unverdient zufällende Frucht;
das rettende Heilige, das den Sterblichen zugetan ist. Das Offenstehen für
das Heilige ist die »Ganzheit«, die Integrität authentischen »Wohnens«.
Der Grundzug des Wohnens ist das Schonen, die Rücksicht, das in Ord-
nung halten, Verschonen235. Dieser Grundzug zeigt uns, daß das Menschensein
im Wohnen beruht, in dem Sinn des Sichaufhaltens der Sterblichen auf der
Erde. »Auf der Erde« schließt jedoch ein: »unter dem Himmel«. Erde und
Himmel verweisen auf das Göttliche und auf das Zusammen der Sterblichen.
Erde und Himmel, Sterbliche und Göttliche gehören in eine ursprüngliche
Einheit zusammen236. Die Erde ist die dienend tragende, die blühend Frucht
hervorbringende, sich erstreckend in Wasser und Gestein, aufblühend zu
Gewächs und Getier. Der Himmel ist der sich wölbende Gang der Sonne
und des Mondes, der Glanz der Gestirne, die Jahreszeiten, das Licht und
das Dunkel des Tages, das Licht und das Dunkel der Nacht, die Gastfreiheit
und die Ungastlichkeit des Wetters, das Vorbeitreiben der Wolken, die blaue
Tiefe des Äthers. Die Göttlichen sind die winkenden Boten der Gottheit.
Die Sterblichen sind die Menschen, die Sterbliche heißen, weil sie den Tod
als Tod vermögen. Das ursprüngliche Zusammengehören dieser vier nennt
Heidegger das Geviert237.
Das Wohnen schließt also vier Aspekte ein. Die Sterblichen wohnen, in-
sofern sie die Erde retten, also nicht beherrschen und unterwerfen; die Sterb-
lichen wohnen, insofern sie den Himmel als Himmel empfangen, also der
Sonne und dem Mond ihren Gang lassen, den Gestirnen ihre Bahn, den
Jahreszeiten ihren Segen und ihre Härte, die Nacht nicht zum Tage machen
und den Tag nicht zur ruhelosen Jagd: die Sterblichen wohnen, insofern sie
die Göttlichen erwarten, hoffend auf das Unverhoffte, noch im Unheil war-
tend auf das entflohene Heil; die Sterblichen wohnen, insofern sie die Sterb-
lichen begleiten, damit ihr Tod ein guter Tod sei. Im Retten der Erde, im
Empfangen des Himmels, im Erwarten der Göttlichen, im Begleiten der
Sterblichen geschieht das Wohnen wie das vierfache Schonen des Gevierts.
Schonen bedeutet: die Vierzahl in seinem »Wesen« hüten238.
Der Mensch hat jedoch das authentische Wohnen total verlernt. Er hat
das »Heile« seines Daseins zusammenschrumpfen und verkümmern lassen.
Die eigentliche Not des Wohnens besteht nicht erst im Fehlen von Woh-
nungen239. Die eigentliche Wohnungnot ist die Heimatlosigkeit des Menschen.
Dadurch bleibt nicht nur das Heilige als Hinweis auf die Gottheit verborgen.
Auch das »Heile« ist zerrissen, und damit scheint selbst der Hinweis auf
das Heilige ausgewischt zu sein240. Die Götter sind entflohen. Erst wenn der
Mensch wieder empfindsam wird für das »Wesen« des Heiligen, darf er
hoffen, daß er erneut wird denken und sagen können, was das Wort »Gott«
bedeutet.
Heidegger sieht in Hölderlin den Dichter der Abwesenheit Gottes241. Die
Dichter sind jedoch auch gerufen, das Heilige erneut auszusprechen und die
Ankunft Gottes vorzubereiten. Im dichtenden Nennen läßt der Dichter den
Hohen selbst erscheinen242. Das Erscheinen Gottes geschieht in einem Ent-
hüllen, das dasjenige erscheinen läßt, was sich verbirgt. Es läßt jedoch nicht
das Verborgene sehen, indem es das Verborgene aus dem Verborgenen rückt,
sondern indem es das Verborgene in seinem Sich-Verbergen hütet243. Der
unbekannte Gott erscheint als der Unbekannte244.
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