Donnerstag, 9. Juni 2011
modern = defizitär?
Vielen gilt heute noch das Modernsein als erstrebenswert. Dabei hat sich in den Diskussionen der letzten Jahre so manches Defizit des Modernen herauskristallisiert. Z. B. weist man darauf hin, daß das Moderne in der Regel seelenlos sei. Das Distanzierte und Pathosferne charakterisiert das Moderne. Aber Kultur und Kunst prinzipiell vom Pathetischen (im Sinne des Leidenschaftlichen) und seelenvollen Gemüt (Stimmung und Innerlichkeit) abzuschneiden, hinterläßt die Leere, die typisch für die moderne Kultur ist.
modern = defizitär?

... link (1 Kommentar)   ... comment


Freitag, 29. April 2011
Zur Kritik des Fortschrittsdenkens und der Moderne
Zu den frühen und radikalen Kritikern eines gewissen Fortschrittsdenkens gepaart mit einem abweichenden Verständnis was die Moderne betrifft, gehört Charles Baudelaire. Ich fand folgende Textstelle (aus: "Der Maler des modernen Lebens"):
»Dieser Mann (...), dieser mit einer tätigen
Einbildungskraft begabte Einsame, der die große Wüste der Menschen
unablässig durchwandert, hat ganz gewiß ein höheres Ziel als das
eines bloßen Flaneurs, ein noch allgemeineres Ziel als das augen-
blickliche Schauvergnügen. Er ist nach etwas auf der Suche, das die
Modernität zu. nennen man mir erlauben möge (...). Für ihn geht es
darum, der Mode das abzugewinnen, was sie im Vorübergehenden an
Poetischem enthält, aus dem Vergänglichen das Ewige herauszuzie-
hen. (...) Die Modernität ist das Vergängliche, das Flüchtige, das
Zufällige, die eine Hälfte der Kunst, deren andere Hälfte das Ewige
und Unwandelbare ist. (...) Keiner hat das Recht, dieses vergäng-
liche, flüchtige Element, das einem so häufigen Wandel unterliegt, zu
verachten oder beiseite zu schieben. Wenn man es unterschlägt,
verfällt man unweigerlich der Leerheit einer nichtssagenden abstrak-
ten Schönheit (...); denn fast unsere ganze Originalität rührt von
dem Stempel her, den die Zeit unseren Empfindungen aufdrückt.«


Ich zitiere - weil ich im Moment zu bequem bin, dieses Zitat in Baudelaires Werkausgabe nachzuschlagen - nach Dieter Thomä, Vom Glück in der Moderne, suhrkamp taschenbuch wissenschaft 1648, Frankfurt a. M. 2003, S.125.

Dieter Thomä, Universität St. Gallen, Jg. 1959, ist ein Kulturphilosoph, dessen Namen man sich merken sollte: http://www.unisg.ch/weitereinfodieterthomae
Zur Kritik des Fortschrittsdenkens und der Moderne

... link (0 Kommentare)   ... comment


Sonntag, 30. Januar 2011
Willi Baumeister: "Das Unbekannte in der Kunst" (1947) - Kampfschrift der abstrahierenden Kunst
"Willi Baumeister erklärte, verblüffend naiv und doch typisch für diese Moderne: „Es
gibt keine guten konservativen Richtungen in der Kunst, sondern nur fortschrittliche:
Der Mensch und der Künstler ist gleich einem Radfahrer. Wenn er anhält, fällt er um."
Die linearen Fortschrittsdenker glaubten wirklich, daß man nur auf dem eingeschlage-
nen Weg fortfahren, daß man unmöglich aussteigen, umsteigen oder einen Abstecher in
die Geschichte unternehmen könne. Man kann das natürlich sehr wohl. Der rigorose
Modernismus will es nur systematisch nicht wahrhaben.

8. Postmodern konturierte Moderne

Wenn wir die Moderne heute so scharf sehen - in der Einseitigkeit ihres technokrati-
schen Fortschrittsdenkens, im Rigorismus und Monopolismus ihrer funktionalen Dok-
trin, in ihrem Widerspruch von Dekret und Praxis -, so verdanken wir das dem Abstand,
den die Postmoderne gebracht hat. ..."

(Wolfgang Welsch: Unsere postmoderne Moderne, Weinheim 1991,101)
Willi Baumeister: "Das Unbekannte in der Kunst" (1947) - Kampfschrift der abstrahierenden Kunst

... link (0 Kommentare)   ... comment


Montag, 8. Juni 2009
Installierte Gegenwart
In der zeitgenössischen Kunst, wie jetzt aktuell auch die Biennale in Venedig zeigt, ist besonders die Installation als mehr oder weniger ästhetisierendes Gebastel beliebt. Ein Theorie ist längst dazu geliefert und legitimiert alle fabrizierten Arrangements als künstlerisch wertvoller Grenzgang.

So schreibt Sotirios Bahtsetzis in seiner 2008 vorgelegten Dissertation "Geschichte der Installation, Situative Erfahrungsgestaltung in der Kunst der Moderne" in der Einleitung:
„Was unter dem Begriff der Installation entsteht, sind weniger Werke denn
Modelle ihrer Möglichkeiten, weniger Beispiele einer neuen Gattung denn immer neue
Gattungen.“ Mit dieser Feststellung legitimiert Juliane Rebentisch in ihrer „Ästhetik der
Installation“ einen für die Installationskunst grundlegenden Unbestimmtheitsfaktor, ein
Sachverhalt, der das kontinuierliche Überschreiten von Gattungsgrenzen und Definitionen
über Kunst, als das Hauptcharakteristikum dieses künstlerischen Phänomens angesehen
werden dürfte. Nach Rebentisch stellt Installation prinzipiell den jeweiligen Kontext
ästhetischer Erwartungen in Frage, der über das entscheidet, was noch Kunst ist und was
nicht, und widersetzt sich paradigmatisch der Idee ästhetischer Werkautonomie."


Weitgehend unkritisch bleibt dabei die Reflektion des Verhältnisses von Installation und Technik. Dabei stammt der Begriff aus dem technischen Zusammenhang:
Installierte Gegenwart

... link (3 Kommentare)   ... comment


Samstag, 27. Dezember 2008
"Modernität"
Günter Figal schreibt in der Einleitung des Kapitels " Modernität" in seinem Buch "Der Sinn des Verstehens" (Reclam 1996):

"Modernität entspringt aus Distanzerfahrung: daraus, daß
die Gegenwart vom Vergangenen durch einen Riß getrennt
ist. Was besteht oder getan wird, ist für die Modernität in
ganz prägnanter Weise »jetzt«; es ist gegenwärtig und allein
schon darin anders als das Gewesene, wie ähnlich es ihm bei
anderer Betrachtung auch sein mag. Modernität heißt, sich
im Kontrast zu verstehen: im Sinne des Neuen gegenüber
dem Alten - und dann auch im Sinne des Aufgeklärten ge-
genüber der Befangenheit in Geschichten, in religiösem
Wahn und religiöser Naivität, technischem Unverstand und
überhaupt befremdlicher Denkweise; doch auch im Sinne
des Entzauberten, Verminderten, der Fülle des Lebens Be-
raubten, gegenüber den vergangenen Zeiten, die vermeint-
lich besser gewesen sind.
All diese Selbsteinschätzungen sind fragil - allein schon
durch das Vergehen der Zeit: Was jetzt ist, bleibt nicht jetzt,
sondern fällt ins Gewesene und so in Distanz. Immer wieder
muß, was jetzt ist und gelten soll, neu festgestellt, bekräftigt
oder beklagt werden. Weil das Gegenwärtige vergeht und
fremd wird, aber die Gegenwart bleibt, zeigt das Gegenwär-
tige sich immer neu als das Neue; und so kommt es auch, daß,
optimistisch betrachtet, die Zeiten anscheinend immer aufge-
klärter, immer kommoder, daß sie, pessimistisch betrachtet,
anscheinend immer verlorener und verwahrloster werden."


"Modernität"

... link (0 Kommentare)   ... comment