Montag, 1. Dezember 2008
Schönheit, Erkenntnis, Glück
"Was darf man, soll man denn loben? Das "an sich Schöne"? – Das klingt nach "Dinge an sich", welche bei Kant und auch bei Nietzsche (in Nr. 539) unerkennbar sind. – An sich ist nur das Erkennen selbst schön, ist entzückend. Die Dinge werden dadurch auf Dauer schön gemacht – für den, der "oft und viel" Erkennen betreibt oder mit den Dingen verkehrt (wie in Nr. 539).

Dass die schöne Erkenntnis auch die hässlichsten Erkenntnisobjekte schön macht, hat natürlich nichts mit naturwissenschaftlicher Erkenntnis zu tun. Der Dreck, die Krankheit (BSE, HIV usw.) wird nicht dadurch schön, dass man sie glücklich erkannt hat. (Das unerkannte Plutonium im abgereicherten Uran des Explosionsstaubes ist nicht schöner als das erkannte.) Aber die schöne Liebe macht schön: legt sich auf und in den Anderen!

Nur als ästhetisches Phänomen ist die Welt gerechtfertigt, hatte Nietzsche früher geschrieben. Jetzt ist sie es als Erkenntnisobjekt! Denn das Erkennen macht die Welt schön (schön "sonnig"!). Weil nämlich das Erkennen an sich schön ist – als Glück des Entdeckens oder, wie in Nr. 468, des Ausspähens der schönen, bösen Menschen, die als Landschaft zu genießen sind! Deshalb also ist die Welt schön: Sie ist schön und sonnig, weil es in ihr diese auszuspähenden Dinge / Menschen gibt. Und des weiteren ist sie schön wegen des glücklichen (Gedanken-)Verkehrs mit ihnen. – Früher gab es für Nietzsche (und gibt es heute für die Menschen, siehe Beginn von Nr. 550 immer noch) nur "Verehrung und Glücksgefühl für die Werke der Verstellung und Einbildung, also den Schein. Es gab das Glück nur beim Verlassen der Wirklichkeit – in der Kunst (Wagners), der apollinischen Verklärung. Jetzt (nach Abkehr von der Kunst bzw. Wagner hin zur sogen. Wissenschaft) geht Nietzsche (er möchte es zumindest) ins wirkliche Leben, er geht unter die Menschen, um sie zu erkennen, ihre Schönheit zum Blühen zu bringen. Jetzt also soll es das Glück beim Eindringen in die Wirklichkeit sein, welches die Welt rechtfertigt, – das Glück der Liebe natürlich. Zumindest in Gedanken!"

Zit. Prof Dr. Günter Schulte
http://www.guenter-schulte.de/materialien/morgenroete/mr_index.html#Anfang
Schönheit, Erkenntnis, Glück

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