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Freitag, 20. Februar 2009
Gott ist tot?
rabe500, 12:09h
"Offenkundig, unübersehbar tritt in diesem Jahrhundert trotz aller gegenteiligen Beteuerungen zu Tage, daß die europäische Menschheit sich anschickt, ohne Gott zu leben, dass sie Gott de facto nicht mehr braucht, sondern die Welt selbst in die Hand nimmt. Sie hat Gott nötig gehabt; sie meint, ihn nun nicht mehr nötig zu haben: "Wir haben ihn getötet - ihr und ich! wir alle sind seine Mörder!" - so nennt das der "tolle Mensch". Was er, was Nietzsche seiner Generation - mindestens ihr - voraushat, ist, dass er mit ungeheurer Schärfe die Konsequenzen dieses Gottesmordes übersieht: den Zusammenbruch aller Werte nämlich, die letztlich ihren Haftpunkt im Begriff "Gott" gehabt haben:
"Was taten wir, als wir diese Erde von ihrer Sonne losketteten? Wohin bewegt sie sich nun? Wohin bewegen wir uns? Fort von allen Sonnen? Stürzen wir nicht fortwährend? Und rückwärts, seitwärts, vorwärts, nach allen Seiten? Gibt es noch ein Oben und ein Unten?" Und in der nächsten Frage dann begegnet jenes Stichwort, das mit Nietzsches Namen seither unlöslich verbunden bleiben wird: "Irren wir nicht durch ein unendliches Nichts?" - das "Nichts", das die Menschen des folgenden zwanzigsten Jahrhunderts verschlingen wird; Friedrich Nietzsche wird der große Diagnostiker, ja der Prophet des Nihilismus.
Freilich einer der Angst hat. "Das Heiligste und Mächtigste, was die Welt bisher besaß, es ist unter unsern Messern verblutet - wer wischt das Blut von uns ab? Mit welchem Wasser können wir uns reinigen? Welche Sühnefeiern, welche heiligen Spiele werden wir erfinden müssen? Ist nicht die Größe dieser Tat zu groß für uns?" Der Nihilismus ist keine Lebensform, für Nietzsche jedenfalls nicht, und all seine Philosophie seither, seine Visionen, seine Predigt, seine Verkündigung ist nichts weiter als der Versuch, den in seinem Konsequenzen durchschauten Nihilismus aus eigener Kraft zu überwinden - ob nun Stichwort "Übermensch" heißen mag, "amor fati" oder "Ewige Wiederkunft"."
Hermann-Peter Eberlein, Flamme bin ich sicherlich! Friedrich Nietzsche, Franz Overbeck und ihre Freunde. Köln 1999, 274
Gott ist tot?
"Was taten wir, als wir diese Erde von ihrer Sonne losketteten? Wohin bewegt sie sich nun? Wohin bewegen wir uns? Fort von allen Sonnen? Stürzen wir nicht fortwährend? Und rückwärts, seitwärts, vorwärts, nach allen Seiten? Gibt es noch ein Oben und ein Unten?" Und in der nächsten Frage dann begegnet jenes Stichwort, das mit Nietzsches Namen seither unlöslich verbunden bleiben wird: "Irren wir nicht durch ein unendliches Nichts?" - das "Nichts", das die Menschen des folgenden zwanzigsten Jahrhunderts verschlingen wird; Friedrich Nietzsche wird der große Diagnostiker, ja der Prophet des Nihilismus.
Freilich einer der Angst hat. "Das Heiligste und Mächtigste, was die Welt bisher besaß, es ist unter unsern Messern verblutet - wer wischt das Blut von uns ab? Mit welchem Wasser können wir uns reinigen? Welche Sühnefeiern, welche heiligen Spiele werden wir erfinden müssen? Ist nicht die Größe dieser Tat zu groß für uns?" Der Nihilismus ist keine Lebensform, für Nietzsche jedenfalls nicht, und all seine Philosophie seither, seine Visionen, seine Predigt, seine Verkündigung ist nichts weiter als der Versuch, den in seinem Konsequenzen durchschauten Nihilismus aus eigener Kraft zu überwinden - ob nun Stichwort "Übermensch" heißen mag, "amor fati" oder "Ewige Wiederkunft"."
Hermann-Peter Eberlein, Flamme bin ich sicherlich! Friedrich Nietzsche, Franz Overbeck und ihre Freunde. Köln 1999, 274
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