Dienstag, 10. Februar 2009
Der erste Trobador
(Die Bezeichnung "trobador" leitet sich wahrscheinlich vom provenzalischen ‚trobar' - (er)finden ab. Möglich ist auch die Abkunft vom vulgärlateinischen ‚tropare' statt dem spät-lateinischen ‚contropare' - bildlich sprechen oder von griechisch-lateinisch ‚tropus' - rhetorische Figur. Bereits Wilhelm IX. von Poitiers, der erste Troubadour, gebraucht das Verbum ‚trobar' in der Bedeutung von ‚dichten in kunstvoller Form' (lat. inventio). Die Bezeichnung "Troubadour" im Sinne von Kunstdichter im Unterschied zum Volksdichter begegnet uns zuerst bei Raimbaut d'Aurenga (2. Drittel 12. Jh.))

Der erste Trobador war Wilhelm IX. von Poitiers (provenzal. Guilhem de Peitieu 22.Okt. 1071 -

10. Febr.1127

Heute genau vor 882 Jahren gestorben!).



Wilhelm IX. von Poitiers (provenzal. Guilhem de Peitieu) war einer der mächtigsten Fürsten auf französischem Gebiet; bereits mit 15 Jahren hatte er die riesigen Ländereien Aquitaniens geerbt (1086), die an Ausdehnung den Grundbesitz des Königs von Frankreich, dessen Vasall Wilhelm war, weit übertrafen. 1089 heiratete er Ermengarda von Anjou, von der er sich 1091 scheiden ließ. Daraufhin ging er 1094 die Ehe ein mit Felipa von Toulouse, Erbin der Grafschaft Toulouse und Witwe von Sancho Ramírez, König von Navarra und Aragón. 1101 brach Wilhelm IX. zum Kreuzzug nach Palästina auf, kehrte aber, nachdem das Heer aufgerieben worden war, schon 1102 zurück. 1113 besetzte er die Grafschaft Toulouse, konnte sie aber nicht halten. Schon 1098 war er in das Gebiet des Grafen Raimon IV., seines Schwagers, eingefallen, als dieser am ersten Kreuzzug teilnahm, obwohl es von der Kirche schwer bestraft wurde, sich den Besitz auf Kreuzzügen abwesender Ritter anzueignen. Der ständige Streit mit der Kirche führte schließlich zur Exkommunikation. 1117 hob der Papst die Kirchenstrafe auf, und Wilhelm unternahm in Spanien einen Kreuzzug gegen die Mauren. Am 10. Februar 1127 starb er in seiner Heimat.

Wilhelm von Poitiers galt als zynisch, spottlustig und sinnlich von Natur. Er stand im Ruf eines Don Juan und gab sich inmitten seiner Gefährten gern als Spielmann und Spaßmacher, "doch fand er auch als erster überlieferter provenzalischer Sänger die innigen und sehnsuchts-vollen Töne der zünftigen Trobadorlyrik".53 Sh. TUCHEL (1966): 5.

Von Wilhelm von Poitiers sind 11 Kompositionen erhalten. Sechs davon sind von recht freizügigem, spielmännisch-witzigem und oft obszönem Charakter, diese waren zum Vorsingen im Kreis der Gefährten bestimmt. Eine seiner Dichtungen ist ein reumütiger Buß-vers, den er wohl um 1117 anläßlich einer Wallfahrt nach Santiago verfasste. Doch vier seiner Kompositionen spiegeln in bisher nicht gekannter Form das höfische Liebesideal. Diese Lieder handeln von einer Liebe, die nichts als respektvolle Anbetung der Dame ist. Da es unklar ist, wie er dazu kam, solche Lieder zu verfassen, neigt man dazu, die vier letzteren Lieder dem Vizegrafen Eble II. de Ventadour (Ebulus Cantator) zuzuschreiben, der ebenfalls als Dichter gewirkt haben soll, aber von dem keine Schriften erhalten sind. Doch dafür gibt es keine Belege, und auch dann würde die Frage nach dem Ursprung dieser Lyrik bestehen bleiben. Die Gedichte Wilhelms IX. sind von solcher Stilsicherheit, dass es Vorformen gegeben haben muss. SCHWEIKLE (1990) gehen davon aus, dass es auch vor und neben Wilhelm IX. Troubadours gab.54 Vgl. SCHWEIKLE (1990): 474.

Dass Wilhelm IX. sich statt in Latein im limousinischen Dialekt seines Herrschaftsgebiets ausdrückte, liegt möglicherweise darin begründet, dass er gegenüber seinen Rivalen, den Franken an den Ufern der Loire, und seinem kapetingischen Lehnsherrn die Autonomie seiner Provinz verteidigen und ihre kulturelle Eigenart betonen wollte.






"vers"

von Guilhem des Peitieu

Da wir sehen, wie von neuem erblühen
die Wiesen und die Gärten ergrünen,
wie erstrahlen Flüsse und Quellen,
Lüfte und Winde,
muß gewißlich jeder sich der Freude erfreuen,
durch die er froh wird.

Über die Liebe darf ich nur Gutes sagen.
Warum erhalte ich von ihr weder wenig noch
[überhaupt] etwas?
Vielleicht, weil mir von ihr nicht mehr zusteht!
Aber im allgemeinen
gibt sie dem große Freude,
der ihre Gesetze wohl beachtet.

in Immer ist es mir so geschehen,
daß ich mich nie dessen, was ich liebte, erfreute,
und ich werde es nicht tun und ich tat es nie;
denn wissentlich
mache ich manche Dinge, über die das Herz mir sagt:
»Alles ist nichtig.«

Deshalb habe ich weniger Vergnügen dabei,
weil ich das will, was ich nicht haben kann.
Und so sagt mir das Sprichwort die Wahrheit:
»Mit Sicherheit
hat ein gutes Gemüt große Kraft [zur Folge],
wenn man nur sehr geduldig ausharrt.«

Niemals wird jemand der Liebe gegenüber vollkommen
sein,
wenn er sich ihr nicht unterwirft
und wenn er den Fremden und den Nachbarn
nicht willfährig ist
und all denen, die zu jenen Wohnungen gehören,
gehorsam.

Wer lieben will, muß vielen Leuten
Gehorsam entgegenbringen;
und es ziemt ihm, daß er
gefällige Taten tun kann
und daß er sich davor hüte, am Hof
wie ein Bauer zu sprechen.

Über diesen vers sage ich euch, daß durch ihn mehr
wert ist,
wer ihn gut begreift, und daß er durch ihn mehr Lob
Denn die Worte sind alle miteinander verdient:
auf ganz entsprechende Art verfertigt,
und die Melodie - und ich lobe mich dessen selbst -
ist gut und trefflich.

Für Narbonne - aber ich gehe nicht dorthin -
sei mein vers das Geschenk,
und ich will, daß er für dieses Lob
mir Bürge sei.

Für Meinen Esteve - aber ich gehe nicht dorthin -
sei mein vers das Geschenk,
und ich will, daß er für dieses Lob
mir Bürge sei.
Der erste Trobador

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